Halbzeit für 23 Pionier:innen

Nachricht Verden, 15. April 2024

Erstmals bildet die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Musiker:innen mit dem Ziel einer C-Qualifikation für Popularmusik aus

Frauke Tillmann leitet seit 19 Jahren den Gospelchor "Celebration" in Bingum. Foto: S. Grünert

Verden. Flieder und Grillkohle schicken Duftwolken auf die Gehwege. T-Shirts und Sonnenbrillen haben Steppmäntel und Pudel verdrängt. Schlangen vor den Eiscafés. Ein Bilderbuch-Frühlingstag. Und während der Frühling das Leben nach draußen schickt, sitzt Frauke auf dem rot-gepolsterten Stuhl im Gemeinderaum des Stadtkirchenzentrums – und kann sich keinen Ort vorstellen, an dem sie gerade lieber wäre.

Frauke Tillmann ist eine der 23 Teilnehmenden der C-Pop-Ausbildung in der Evangelischen-lutherischen Landeskirche Hannovers. Und sie ist eine Pionierin. Die Grundschullehrerin aus Leer nimmt an der ersten Ausbildung dieser Art teil.

Die C-Pop-Ausbildung ist ein zweijähriges Format, in dem die Teilnehmenden nebenberuflich das Handwerkszeug der Pop-Musiker:in und Ensembleleiter:in lernen. Im Anschluss bekommen sie die Qualifikation C-Kirchenmusik Pop, mit der sie sich nebenberuflich als Musiker:in in Kirchengemeinden anstellen lassen können.

Popularmusik-Szene soll wachsen

Die Formel der Popkantoren: Kirche, die ankommt, braucht Musik, die berührt. Foto: S. Grünert

Micha Keding ist Popkantor im Kirchenkreis Verden. Er leitet das Ausbildungsformat, das im vergangenen Jahr erstmalig gestartet ist. Bei einem Treffen der Popkantor:innen verständigten sie sich darauf, die Ausbildung, die in anderen Landeskirchen schon etabliert war, auch in die Landeskirche Hannovers zu holen. "Uns war klar, dass wir die Popularmusik nur stärken können, wenn wir die Qualität der Musik in den Gemeinden stärken. Also mussten wir an die ehrenamtlichen Musiker:innen kommen", sagt er. Die Lösung? Eine Ausbildung für sie.

Die Sprengel sollen die aktuell noch zentrale Ausbildung in den nächsten Jahren übernehmen. Dann in kleineren Gruppen und mit kürzeren Anfahrtswegen für die Teilnehmenden. Micha Keding ist davon überzeugt, dass so im Laufe der Jahre eind Popularmusik-Szene in der Hannoverschen Landeskirche wachsen wird.

Bilderbuch-Frühlingstag draußen. Lektion Gemeindesingen drinnen. Die Kirchenmusikdirektorin Bettina Gilbert erklärt den Teilnehmenden, wie sie Lieder einer Gruppe ohne Liedzettel beibringen können. Der Boden vibriert, als sie gemeinsam singen, klatschen, tanzen.

Zwischen 17 und 63 Jahre sind die Kursbesucher:innen. Im Juni stehen die Zwischenprüfungen an. "Ich bin aufgeregt. Der Anspruch hier ist hoch", sagt Frauke Tillmann. Zusätzlich zu den Praxistagen in Verden gibt es sechs Seminarwochenenden im Hildesheimer Michaeliskloster, dem Popularmusikzentrum in Burgdorf und im Sachsenhain Verden. Zwischen den Praxistagen gibt es monatliche Lehrbriefe mit Unterrichtsinhalten und Hausaufgaben.

Was die Leute singen wollen? Atemlos!

Die Kirchenmusikdirektorin Bettina Gilbert erklärt den Teilnehmenden, wie sie Lieder einer Gruppe ohne Liedzettel beibringen können. Foto: S. Grünert

Paulo Goschzik-Schmidt ist Pastor in der Gesamtkirchengemeinde Elbmarsch. "Ich will die Gemeinde beim Singen nicht mehr aus dem Takt bringen", sagt er und lacht. Deshalb ist er hier, mit seiner Gitarre. Und weil die Orgel das Singen erschwert, wie er findet. Und, weil es mehr Musiker:innen braucht. Und, weil es ihm Spaß macht. Deswegen hauptsächlich.

Im Rauschen dieser Zeit ist ein Lied, das Paulo Goschzik-Schmidt in diesen Tagen besonders berührt. Weil es ihm Hoffnung gibt angesichts einer von Krieg gerüttelten Welt. Die Ausbildung habe etwas freigelegt, das die Restriktionen der Corona-Zeit verdeckt haben: "Ich habe hier wieder gemerkt, wie gut singen tut", erzählt der Pastor. Angestupst von der Ausbildung gründete er die Gruppe Elbmarsch singt. Jede Woche kommen Menschen aus der Gegend, um mit ihm in der Kirche Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch oder von den Sportfreunden Stiller zu singen. Der Renner? "Atemlos", sagt Paulo Goschzik-Schmidt und schmunzelt. Egal, Hauptsache es mache Spaß.

Auch Frauke Tillmann hat die C-Pop-Ausbildung inspiriert: "Zu Weihnachten will ich einen Flashmob in einem Kaufhaus organisieren und singen. Ich möchte die Menschen daran erinnern, woher das Fest kommt und Lust auf Kirche machen."

Im Juni 2025 möchte Micha Keding den Teilnehmenden ihre Zeugnisse überreichen und die neuen C-Pop-Schüler:innen begrüßen. Die Bewerbungsphase für den zweiten Durchgang beginnt Anfang des nächsten Jahres.

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A, B, C, D – Kirchenmusik als Beruf

Als Kirchenmusiker:in zu arbeiten, kann ein Hauptberuf oder ein Nebenerwerb sein. Hauptamtliche Kirchenmusikdirektor:innen haben Kirchenmusik an einer Hochschule studiert und ein B-Examen abgeschlossen. Optional ist mit einem Aufbaustudium noch das A-Examen möglich. Heute erhalten Student:innen ihre B-Qualifikation mit einem Bachelor im Fach Kirchenmusik und die A-Qualifikation mit einem Masterabschluss.

Amateure können mit einer Ausbildungszeit von etwa ein bis drei Jahren die D-Prüfung anstreben. Nach einer intensiveren Ausbildung steht die C-Prüfung. Mit diesen Abschlüssen können Musiker:innen nebenamtich in einer Gemeinde arbeiten.

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